Wolfgang Waterstraat

Wolfgang Waterstraat wurde am 29. Januar 1920 in Stettin geboren. Seine Schulzeit verlebte er in Königsberg. Dort war sein Vater leitender Polizeibeamter, der entlassen wurde, nachdem er seine Truppe in der „Reichsprogromnacht“ gegen die SA eingesetzt hatte.

Im Jahr 1939 wurde der Medizinstudent Waterstraat an die Front eingezogen, wo er im Sanitätsdienst eingesetzt wurde. 1944 zog sich der Unteroffizier an der Front schwere Verwundungen zu.

Nach Abschluss seines Medizinstudiums in Greifswald und Flucht nach Dänemark, kam Waterstraat in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Dort wurde er als Arzt auf einem Lazarettschiff eingesetzt.

Nach dem Krieg ließ sich Waterstraat in Berlin nieder, wo er heiratete. Im Jahr 1948 bekam das Paar eine Tochter.

In Berlin  arbeitete er als Assistenzarzt. Am 01.10.1949 nahm Wolfgang Waterstraat eine Stelle als Mikrobiologe am Robert-Koch-Institut an, wo er hauptsächlich an der Forschung und Anwendung des Antibiotikums Streptomycin arbeitete. Zusätzlich arbeitete er dort für das Streptomycin-Komitee. Ab April 1951 war er allein im Robert-Koch-Institut für die Ausgabe dieses seltenen und teuren Antibiotikums, hauptsächlich an tuberkulosekranke Ostdeutsche, zuständig. Die knappen zur Verfügung stehenden Medikamente stammten aus internationalen Spenden.

1950 wurde Waterstraat Mitglied der politischen Vereinigung „Deutsche Union“, der viele Redakteure  angehörten. Er hoffte dadurch eine größere Öffentlichkeit für Spenden zu gewinnen. Daraus entstand später am 31.05.1951 der Verein „Europäische Freiwillige von West-Berlin“, zu deren Vorsitzenden er gewählt wurde. Diese Vereinigung wollte sich für ein geeintes Europa ohne Grenzen und Militarismus einsetzen. Ziel der ersten Aktion des Vereins war ein von der Roten Armee als Denkmal benutzter Panzer in Berlin-Zehlendorf, der von der Westberliner Bevölkerung als Provokation angesehen und fast täglich verunstaltet wurde.

Am 28. August 1951 machte sich Wolfgang Waterstraat auf den Weg zur Arbeit, in seiner Aktentasche befand sich seine Dissertation über die Erforschung des Medikaments Streptomycin. An der S-Bahn-Station Ostkreuz wurde der Mikrobiologe von zwei DDR-Polizisten mit Waffengewalt aus dem Zug geholt. Am 29. August 1951 stellte die „OS-Abteilung“ des Büros des MGB-Kommissars der UdSSR in Deutschland das Verhaftungsdokument aus.

Waterstraats Fall wurde von Oberleutnant Diakonov geführt, einem leitenden Ermittler des MGB. Am 29. August kam er im Zuge der Verhaftung zu folgender Einschätzung der angeblichen Tätigkeit des jungen Wissenschaftlers: „Waterstraat ist der Leiter einer antisowjetischen Spionageorganisation in West-Berlin, die sich ‚europäische Freiwillige‘ nennt. Diese Organisation betreibt Spionage, führt Sabotageakte und verschiedene Provokationen gegen die Sowjetunion und die DDR durch. Am 2. Juni verübte Waterstraat zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Organisation einen provokativen Brandanschlag auf ein Panzerdenkmal für sowjetische Soldaten im Englischen Sektor von Berlin. Gleichzeitig beabsichtigten Waterstraat und andere Mitglieder der Organisation, Sabotageakte zu begehen und das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park, den „Blauen Express“ und andere Objekte in die Luft zu sprengen“.

Diese Anschuldigungen bildeten die Grundlage für das Strafverfahren, das nach fünf Monaten, am 17. Januar 1952 zu einem Todesurteil wegen angeblicher Spionage, Sabotage und antisowjetischer Propaganda führte. Waterstraat wurde nach Moskau verschleppt, wo er am 2. April 1952 erschossen wurde. Die Asche des Wissenschaftlers wurde auf dem Friedhof von Donskoje verstreut. Wolfgang Waterstraat wurde nur 32 Jahre alt.

Zusammen mit Waterstraat wurde eine Patientin des Robert-Koch-Instituts, die Berlinerin Lieben, verurteilt. Lieben erhielt 25 Jahre Lagerhaft, wurde aber 1953 vorzeitig entlassen.

Seit dem Tag seiner Verhaftung an der Berliner S-Bahn-Station galt Waterstraat als vermisst. Die Familie erfuhr erst 1959 von seinem Tod, als sie einen Brief des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes erhielt. Darin hieß es, Waterstraat sei „1954 auf dem Gebiet der UdSSR gestorben“. Die wahren Umstände seines Todes wurden der Familie erst 1993 bekannt gemacht, als sie eine Bescheinigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation über die vollständige Rehabilitierung von Wolfgang Waterstraat erhielt. Auch die Verurteilte Lieben wurde rehabilitiert. Die Verhaftung wurde in diesem Dokument als „grundlos“ bewertet.

Die Tafel der „Letzten Adresse“ für Wolfgang Waterstraat hängt in der Karl-Marx-Str. 196 in 12055 Berlin-Neukölln.

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.google.de/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fgedenkbibliothek.de%2Fdownload%2FStephan_Krikowski_-_Anbringung_LETZTE_ADRESSE_f_r_Wolfgang_Waterstraat_und_deren_Diebstahl_-_vom_August_2023.pdf&psig=AOvVaw3_i6evNcWY3OjxSViE_aQn&ust=1695330330586000&source=images&cd=vfe&opi=89978449&ved=2ahUKEwi5lqnii7qBAxUB8rsIHc5nCpwQr4kDegQIARB7

Dr. Nikolai Ivanov